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2024 ist ein Superwahljahr: In 76 Nationen finden Wahlen statt. Mehr als die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung ist wahlberechtigt. Doch wählen zu dürfen, heißt nicht automatisch wählen zu können. Menschen mit Behinderungen stoßen oft auf Barrieren, die es ihnen erschweren oder unmöglich machen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
Forschungen haben ergeben, dass Menschen mit Behinderungen „viel weniger wahrscheinlich wählen als andere Bürger“. Nicht barrierefreie Wahllokale, Informationen und Wahlkarten, die nicht in einfacher Sprache, Gebärdensprache oder Braille verfügbar sind, soziale Ausgrenzungen, … Es gibt viele mögliche Gründe dafür.
Collins Ombajo, Berater für Inklusion von Menschen mit Behinderungen bei Light for the World, sagt:
„Jeder Erwachsene hat das Recht, über Entscheidungen, die sein Leben beeinflussen, abzustimmen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dieses Recht zu wahren, damit niemand vom demokratischen Prozess ausgeschlossen wird.“
Die Situation bei Wahlen variiert sehr stark von Land zu Land. Wir möchten daher nur einen allgemeinen Überblick über die fünf wichtigsten Aspekte für inklusive Wahlen geben, damit alle gleichermaßen Zugang zur Stimmabgabe haben:
1. Frühzeitig die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen bedenken
Wahlkommissionen, politische Parteien und Regierungsvertreter*innen sollten mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen (organisations of people with disabilities; OPDs) und Inklusionsexpert*innen zusammenarbeiten:
„OPDs können auf Barrieren hinweisen, denen Menschen mit Behinderungen begegnen können, und helfen, unzugängliche Wahllokale oder Schritte im Wählerregistrierungsprozess zu identifizieren”, sagt Ambrose Murangira, Technischer Direktor für Inklusion von Menschen mit Behinderungen bei Light for the World.
Wahlkommissionen sollen Informationen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen bei Wahlen auf ihrer Webseite bereitstellen und eine Ansprechperson für Wähler*innen mit Behinderungen zuweisen, die gezielt mit Informationen unterstützt und Fragen beantwortet.
Außerdem ist es wichtig, dass Informationen zur Wahl in zugänglichen schriftlichen (einschließlich Braille), Audio- und audiovisuellen Formaten mit Untertiteln und Gebärdensprache über traditionelle Medien, digitale Plattformen und Gemeindearbeit bereitgestellt werden.
2. Parteiprogramme sollen inklusiv sein
Neben wichtigen Informationen zur Wahl müssen auch die politischen Parteiprogramme inklusiv sein:
„Parteien-Websites müssen zugänglich sein, einschließlich Text-zu-Sprache-Readern, Alt-Text für Bilder und Informationen in einfacher Sprache, ohne Fachjargon. Wahlkampfveranstaltungen müssen physisch zugänglich sein und Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Menschen bereitstellen”, sagt Collins Ombajo.
Politische Parteien müssen sich auch mit Menschen mit Behinderungen austauschen, um ihre Bedürfnisse zu verstehen. Behinderungsthemen sollten in ihre wichtigsten Politiken aufgenommen werden, mit spezifischen Verpflichtungen zur Barrierefreiheit und einer klaren Strategie für Inklusion.
Parteien sollten mehr Möglichkeiten zur Teilnahme von Menschen mit Behinderungen schaffen. Es gibt immer noch zu wenige Kandidat*innen mit Behinderungen, trotz ihrer großen Fähigkeiten, Potenziale und Zahlen. Gezielte Mobilisierung von Menschen mit Behinderungen, um sich den Regierungsstrukturen politischer Parteien anzuschließen und als Kandidaten zu kandidieren, unterstützt auch inklusive Wahlen und eine gerechtere Gesellschaft.
3. Barrierefreier Zugang am Wahltag
Unzugängliche Wahllokale und Materialien können Menschen mit Behinderungen davon abhalten, an Wahlen teilzunehmen.
Wahlbehörden können proaktive Schritte unternehmen, um Barrieren zu beseitigen und angemessene Vorkehrungen zu treffen. Dazu gehören:
- Angepasste Stimmzettel: Alle Wahlmaterialien sollten in zugänglichen Formaten sein, einschließlich großer Texte und, wo möglich, in Braille.
- Ausgebildete Wahlbeamte/(freiwillige) Wahlhelfer: Wahlhelfer sollten in Inklusion von Menschen mit Behinderungen geschult werden. Der Fokus sollte darauf liegen, wie man mit Menschen mit Behinderungen, einschließlich gehörlosen oder schwerhörigen Menschen, kommuniziert und wie man Unterstützung bietet, wenn nötig.
- Zugängliche Wahllokale: Wahllokale sollten deutlich markiert und barrierefrei sein, einschließlich Rampenzugang für Rollstuhlfahrer und ausreichender Sitzgelegenheiten für Menschen mit körperlichen Behinderungen.
- Angepasste Wahlkabinen und Wahlurnen: Kabinen sollten frei von Hindernissen sein. Wahlurnen sollten in einer Höhe sein, die für Menschen kleiner Statur und Rollstuhlfahrer erreichbar ist.
- Alternative Wahlmethoden: Zum Beispiel die Möglichkeit zur frühen Briefwahl und Initiativen wie „fliegende Wahlkabinen“.
4. Inklusion überwachen
Wahlbeobachter haben die Verantwortung, sicherzustellen, dass eine Wahl frei und fair ist. Sie haben auch die Pflicht, den Prozess auf Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle gleichberechtigten Zugang zum Wählen haben.
Wahlbehörden sollten mit Interessenvertretungsorganisationen und OPDs zusammenarbeiten, um ihre Bewertungsinstrumente zu überprüfen und anzupassen. Zum Beispiel sollten sie Wahllokale auf Barrierefreiheit überwachen, Quotensysteme einhalten und Wähler*innen mit Behinderungen befragen, um Feedback zu ihren Erfahrungen zu sammeln.
5. Inklusive Informationen nach der Wahl
Nach der Wahl ist es entscheidend, dass die Wahlergebnisse für alle vollständig zugänglich sind und die offizielle Webseite der Wahlkommission, die die Ergebnisse berichtet, barrierefrei ist.
Journalisten haben auch die Verantwortung sicherzustellen, dass ihre Medienberichte über die Wahl inklusiv und zugänglich für Menschen mit Behinderungen sind.
Der Kontakt zu gewählten Vertretern sollte ebenfalls in barrierefrei zugänglichen Formaten möglich sein. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht wie alle anderen, mit ihren Abgeordneten zu kommunizieren und sie zur Rechenschaft zu ziehen.