- Humanitäre Hilfe
Barrierefreiheit ist ein Wort, das wir alle schon einmal gehört haben. Doch oftmals fehlen konkrete Ideen zu diesem vermeintlich abstrakten Begriff. Am heutigen Welttag der Barrierefreiheit machen wir das Thema greifbarer und sprechen über die Herausforderungen in der Nothilfe.
Rund 15% der Weltbevölkerung lebt mit einer Behinderung. Sie werden bei humanitären Krisen, gewaltsamen Konflikten oder Naturkatastrophen oft vernachlässigt. Als Beispiel hierfür werfen wir einen Blick auf die Nothilfe nach dem Wirbelsturms Idai, der im Jahr 2019 die Küste von Mosambik verwüstete und die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen zerstörte.
Wir bei Light for the World haben zusammen mit vierzig Betroffenen mit Behinderung aus der Region zurückgeblickt und uns gemeinsam überlegt, was Organisationen und Regierungen tun können, um Nothilfe inklusiver zu gestalten. Das sind unsere wichtigsten Empfehlungen für eine barrierefreie Notfallhilfe, um Menschen mit Behinderungen zu erreichen:
Vielfältige Verteilung von Informationen
Notfälle aufgrund von Wetterereignissen kündigen sich oftmals schon vorab an. Die Zeit davor muss effizient genutzt werden, um die Bevölkerung zu warnen und über lebensrettendes Verhalten zu informieren.
Doch oft denken Regierungen und Organisationen die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen nicht mit, wenn es um die Verteilung von Informationen geht. Werfen wir hier einen Blick darauf, warum manche Informationen nicht für alle Menschen zugänglich sind:
- Menschen mit einer Sehbehinderung erreichen visuell aufbereitete Informationen nicht.
- Nicht alle Menschen mit Sehbehinderungen können die Blindenschrift Braille lesen
- Menschen mit Hörbehinderungen hören keine Alarmglocken oder können Inhalte aus dem Fernsehen und Radio nicht aufnehmen, sofern diese nicht mit Untertiteln oder Gebärdensprache versehen sind
- In vielen afrikanischen Ländern sprechen zahlreiche Menschen nicht die Amtssprache. Vor allem Frauen und Menschen mit Behinderungen haben aufgrund ihres Bildungsstatus große Nachteile.
Luisa Franciscos Kinder leben mit einer Hörbeeinträchtigung. Die Familie war über das Ausmaß des Zyklons nicht informiert und wurde in der Nacht überrascht, als das Dach von ihrem Haus gerissen wurde.
Sie hatten Glück und flüchtete mit ihren Kindern zu den Nachbarn, auf deren Hilfsbereitschaft sie lange Zeit nach dem Zyklon angewiesen war. Luisas Situation zeigt, dass barrierefrei aufbereitete Inhalte in unterschiedlichen Sprachen und gezielte mündliche Informationsweitergabe im richtigen Moment Leben retten können.
Barrierefreiheit von Ort und Ausstattung von Notfallunterkünften
Damit alle Menschen in Notfallunterkünften Schutz finden können, müssen diese gut positioniert werden und die Wege dorthin frei sein, damit Menschen mit Behinderungen sie erreichen können. Umgestürzte Bäume und andere Barrieren sollten dabei so schnell wie möglich entfernt werden.
Durch diese Maßnahme wären auch Francisco Alfazema und seine Familie in Sicherheit gewesen.
Wir konnten nicht zu den Notunterkünften gehen, denn sie waren zu weit weg. Die nahegelegenen Schulen, wo wir Unterschlupf gefunden hätten, waren alle zerstört. Wir konnten nirgends hin, weshalb wir bei unserem zerstörten Haus geblieben sind.
Francisco Alfazema
Die Ausstattung in den Notunterkünften muss ebenfalls barrierefrei sein. Darunter fallen sanitäre Anlagen oder die Gütervergabe. Sich an die neue Umgebung anzupassen ist für Menschen mit Behinderungen eine besondere Herausforderung.
In ihrem täglichen Leben sind sie besonders von ihrem Netzwerk abhängig: Nachbar*innen, Pfleger*innen und Familienmitglieder unterstützen sie. In einer neuen Umgebung muss dieses Unterstützungsnetzwerk erst wieder aufgebaut werden. Behindertengerechte Planung und Ausstattung der Notfallunterkünfte kann daher für das Wohlbefinden von Menschen mit Behinderungen ausschlaggebend sein.
Vorausdenken heißt nicht erst im Notfall zu reagieren
Wie in den vorangegangenen Punkten ersichtlich, ist der Zusammenhalt und die Rücksichtnahme aufeinander ausschlaggebend, dass auch Menschen mit Behinderungen in Notlagen Hilfe bekommen. Doch in vielen Ländern wird eine Behinderung als Bedrohung empfunden. Deshalb werden Menschen mit Behinderungen oftmals diskriminiert, bedroht oder beschimpft.
Diese Einstellung begegnete Mussa sogar in seiner Familie. Er verlor sein Haus während des Zyklons. Doch aufgrund seiner körperlichen Behinderung konnte er nicht fliehen und Hilfe holen.
Ich habe Kinder, aber es interessiert sie nicht, ob ich am Leben bin. Nachdem der Zyklon alles zerstört hat, haben sie sich nicht bei mir gemeldet. Ich könnte genauso gut tot sein.
Mussa
Aufklärung über Behinderungen in der Gemeinschaft durch spirituelle Führer*innen, Gemeindebeamt*innen oder in den Medien führt zu mehr Verständnis für die Situation von Menschen mit Behinderungen.
*Mussas Nachname ist uns leider nicht bekannt, daher nennen wir hier ausnahmsweise nur seinen Vornamen.
Maßnahmen zur Barrierefreiheit
Damit Menschen mit Behinderungen im richtigen Moment Unterstützung finden, muss Nothilfe langfristig geplant und gedacht werden. Deswegen unterstützen wir bei Light for the World andere Organisationen dabei, ihre Maßnahmen inklusiver zu gestalten und stellen unsere Expertise und Erfahrungen bereit. Denn eine inklusive Gesellschaft formt sich nicht erst im Extremfall. Gute Vorbereitung und Sensibilisierung für dieses wichtige Thema sind der Schlüssel zu einer inklusiven Gesellschaft auch in Krisensituationen.