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Tag der Gebärdensprache: mehr Anerkennung für eine inklusive Gemeinschaft

23.09.2023
Der Bildausschnitt zeigt Esther, eine Inklusionsberaterin von Licht für die Welt, die vor einer Schulklasse gebärdet. Sie trägt ein beiges Gillet und hinter ihr sitzen zahlreiche Kinder in gelben T-Shirts am Boden und achten auf ihre Handbewegungen. Sie befinden sich in einem Flüchtlingscamp für Binnenvertriebene im Südsudan.
  • Behindertenrechte
  • Inklusive Bildung

Der 23. September ist der internationale Tag der Gebärdensprache. Und obwohl sich mehr als 70 Millionen Menschen weltweit mit Gebärdensprache verständigen, können viele von uns kaum ein Wort gebärden. Oder wussten Sie, dass die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS, eine eigenständige Sprache ist und keine Übersetzung des gesprochenen Deutsch?

Wir nutzen den Tag der Gebärdensprache, um auf die Vielfalt und Notwendigkeit dieser Sprache aufmerksam zu machen. Denn ähnlich wie bei Lautsprachen gibt es unterschiedliche Gebärdensprachen mit Dialekten und Jugendsprache. Dabei kommen die Hände, die Augen, der Mund, der Gesichtsausdruck und die Körpersprache zum Einsatz. Weltweit existieren mehr als 140 verschiedene Gebärdensprachen! Die Deutsche Gebärdensprache DGS ist seit 2002 als vollwertige, eigenständige Sprache anerkannt. Außerdem wird im deutschsprachigen Raum die Österreichische Gebärdensprache ÖGS und die Deutschschweizer Gebärdensprache DSGS gebraucht.

Ohne Gebärdensprache keine inklusive Bildung

Mehr als 80% aller gehörlosen Menschen leben in Entwicklungsländern. Zu ihnen zählt auch Betselot aus Äthiopien. Sie verlor schon früh aufgrund einer Ohreninfektion ihr Gehör. Obwohl ihre Eltern sie ins Krankenhaus gebracht haben, erfolgte die Behandlung zu spät. Betselots Zukunft stand auf dem Spiel, als sie aufgrund ihrer Gehörlosigkeit keinen Schulplatz fand.

Gebärdensprache lernen – Inklusive Bildung in Äthiopien fördern

Light for the World arbeitet gemeinsam mit Partnerorganisationen daran, inklusive Bildung in Schulen zu ermöglichen. Dazu zählt die Ausbildung von Lehrpersonal, das Bereitstellen von unterstützenden Technologien, barrierefreie Zugänge zu Klassenzimmern sowie Unterrichtsmaterialen, die auf Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen zugeschnitten sind.

Die achtjährige Betselot aus Äthiopien steht vor der Lehmhütte in der sie mit ihrer Familie lebt. Sie hat die Hände gehoben und die Finger zu zeichen der Gebärdensprache geformt. Sie trägt eine gestreivte Weste und lächelt in die Kamera.

In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hat Betselots Mutter eine Schule gefunden, die mit einer Partnerorganisation von Light for the World zusammenarbeitet. Bevor Betselot mit dem regulären Unterricht beginnen konnte, musste sie erst Gebärdensprache lernen.

Sie ist die Grundlage für eine erfolgreiche Teilnahme an einem inklusiven Unterricht. Betselot war beeindruckt und ist heute fest entschlossen, eines Tages gehörlosen Kindern dabei zu helfen, Gebärdensprache zu lernen.

Einheitliche Gebärdensprache fördert friedliches Zusammenleben im Südsudan

Im Jahr 2016 haben Light for the World und Gehörlosengemeinschaft das Fehlen einer gemeinsamen Gebärdensprache im Südsudan zum Anlass genommen, gemeinsam die Arbeit an einem Basislexikon in Gebärdensprache zu beginnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich die Gemeinschaft der Gehörlosen mit einem Mix aus Gebärden aus Kenia, Uganda sowie arabischen und lokalen Gebärden beholfen. Die fehlende gemeinsame Sprache schwächte dabei nicht die Gemeinschaft der gehörlosen Südsudanes*innen, sondern auch das fragile nationale Gefüge des jüngsten Staates der Welt, in dem Menschen zahlreicher Ethnien zuhause sind.

Fünf Jahre lang haben mehr als sechs Gebärdensprachen-Dolmetscher*innen und vier Sozialarbeiter*innen den Wissensschatz der Gehörlosen-Community gesammelt und zu einem Lexikon zusammengefasst. Es umfasst 810 Gebärden und 1454 Bilder, die in 26 Themen wie Nahrung und Getränke, Anatomie oder politische Themen gegliedert sind.

Esther, Inklusionsberaterin aus dem Südsudan unterrichtet Gebärdensprache in einem Flüchtlingscamp für Binnenvertriebene. (c) Bullen Chol
Auf dem Bild ist das Cover des Lexikons der Gebärdensprache aus dem Südsudan zu sehen. darauf ist der afrikanische Kontinent zu sehen mit einer Vergrößerung des Südsudans. Links oben ist eine Frau in einem blauen T-Shirt zu sehen, die gebärdet. Links unten ist ein Mann in einem blauen T-Shirt zu sehen, der die Arme vor der Brust zusammengeschlagen hat.

Mit diesem Buch arbeitet auch unsere Inklusionsexpertin Esther aus dem Südsudan. Sie unterrichtet Gebärdensprache für Kinder in einem Flüchtlingscamp für Binnenvertriebene.

In diesem Camp leben verschiedene Ethnien zusammen. Eine einheitliche Gebärdensprache trägt zum friedlichen Zusammenleben bei und stärkt das Selbstbewusstsein der Gehörlosengemeinschaft im Camp und im gesamten Land.

Gebärdensprachen die Anerkennung zu geben, die sie verdienen, hat vor allem positive Auswirkungen auf Kinder mit Behinderungen, noch ganz am Anfang ihres Bildungswegs stehen. Dank des Gebärdensprachenlexikons kann Esther heute Kinder wie Betselot unterrichten. Damit fördert sie nicht nur einen inklusiven Unterricht, an dem alle Kinder teilnehmen können, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein der gehörlosen Kinder und eröffnet ihnen Zukunftschancen. Und ganz nebenbei leistet sie auch noch einen wichtigen Beitrag zur Verständigung und für eine inklusive Gesellschaft.